Pfarrkirche St. Gallus
Ortsgeschichte
Sigmarszell, dessen Name wohl auf einen Ortsgründer Sigimar verweist, könnte bereits im 9. Jh. bestanden haben. So erwähnt das Sankt Galler Urkundenbuch 851 „Sigimar“, einen Grundherren im Allgäuer Raum. Eine erste sichere Überlieferung des Ortsnamens „Sigemarcelle“ findet sich aber erst im Konstanzer „Liber decimationis“ von 1275. Die Nähe zum Kloster Sankt Gallen, die für die frühe Zeit nur vermutet werden kann, bestätigt sich für 1353, als das Patronatsrecht der 1291 erstmals erwähnten Kirche von Sigmarszell in den Händen dieses Klosters liegt. 1451 verpfändet der Abt Kaspar von Sankt Gallen das Präsentationsrecht an die Stadt Lindau, behält aber das Belehnungsrecht weiterhin. Die der Stadt Wangen übertragene Vogtei, die ebenfalls dem Kloster gehört, wird zusammen mit dem Patronatsrecht 1591 an das Lindauer Heilig-Geist-Spital übertragen, das schon 1451 das Präsentationsrecht als Pfand erhalten hatte. Ab 1592 findet sich die Pfarrei vereint mit Weißensberg – ein für den jeweiligen Pfarrer schwieriger und unbefriedigender Zustand, der bis 1816 beibehalten wird. Noch bis ins 19. Jh. gilt das protestantische Lindauer Stift als Ortsherr und Pfarreiinhaber von Sigmarszell, erst 1834 erhält Sigmarszell eine eigene Kirchenverwaltung.
Baugeschichte
Auch das Patrozinium der kleinen Dorfkirche, die dem hl. Gallus (um 550-645), dem Eremiten, Missionar und Gründer von Sankt Gallen geweiht ist, verweist auf die frühe Existenz einer Kirche in Sigmarszell. Während der Turm in seinem unteren Bereich wie in Niederstaufen noch aus dem Mittelalter erhalten ist, ersetzt die heutige Kirche einen im Dreißigjährigen Krieg durch schwedische Soldaten zerstörten Vorgänger. Da über den Zeitraum bis zum Neubau keine Baumaßnahmen überliefert sind, wird man mit einem langjährigen Provisorium rechnen müssen. Um 1710 begonnen, wird der Kirchenneubau mit der Schlussweihe am 30. September 1717 durch den Konstanzer Weihbischof Konrad Ferdinand (1693-1722) vollendet. Nach Renovierungen 1828-30 und der Erhöhung des Turms 1844 errichtet man 1895 im Inneren eine neue Westempore und zwei Jahre später einen Sakristeianbau neben dem wiederum erhöhten Turm. Erneut 1929 und im Inneren um 1950 restauriert, stammt die heutige Farbgebung von der jüngsten Innenrestaurierung 2019.
Beschreibung
Inmitten des kleines Friedhofes von Sigmarszell am Hang zur Leiblach erbaut, reckt sich der neugotische Rhombenspitzhelm des Turmes der Pfarrkirche empor. Wie schon in Niederstaufen, so entspricht auch die Anfang des 18. Jh. errichtete Galluskirche mit ihrem Saalraum und dem eingezogenen Chor dem Schema einer ortstypischen Landkirche. Der Chor endet im 3/8-Schluss, während der Turm mit seinen Biforien-Klangarkaden und den aufgesetzten Giebeln von einem oktogonalen Rhombenhelm bekrönt wird. Durch den Westeingang mit seiner kurzen Vorhalle betritt man den kleinen, breit gelagerten Saalraum zu drei Fensterachsen, der von einer weiten Flachtonne überspannt wird. Der eingezogene Chor, ebenfalls mit einer Flachtonne gewölbt, setzt sich durch einen Korbbogen ab. Die Gliederung der Wände beschränkt sich auf ein reich profiliertes Gesims am Gewölbeansatz und eine rosafarbige Umrahmung der Fresken an der Decke. Die hölzerne Westempore, über zwei schlanken, kannelierten Säulen angelegt, bereichert das Kircheninnere mit seinen Medaillonbildern der Apostel und einer grauen Felderung.
Die Deckenbilder
Den prägendsten Eindruck auf den Besucher vermittelt die ungewohnte Farbgebung des großen Deckenbildes. Dieses wie die beiden anderen Fresken, eingefasst von einem flachen Profilrahmen, sind Arbeiten des Münchener Malers Joseph Albrecht aus dem Jahre 1900 (um 1950 stark übergangen). Neben den musizierenden Engeln über der Orgelempore geben die Fresken zwei Begebenheiten aus dem Leben des Titelheiligen, des irischen Missionars Gallus, wieder. Auf dem Chorfresko sieht man den Heiligen und seinen Begleiter Magnaldus bei der Aufstellung eines Kreuzes vor dem 612 in der Wildnis errichteten Vorgängerbau des Klosters Sankt Gallen. Unbemerkt tritt ein Bär hinzu, der künftige Begleiter und Schützer des hl. Gallus. Das Deckenbild im Langhaus stellt in figurenreicher Ausschmückung den von der zum Christentum bekehrten Bevölkerung heftig betrauerten Tod des heiligen Mannes vor der Kulisse des nahen Bodensees dar.
Die Altäre
Wenn auch die heute unterschiedliche Farbgestaltung der Altäre verschiedene Entstehungszeiten .vermuten lässt, so stammen doch alle Altäre aus der Erbauungszeit der Kirche im frühen 18. Jh. Veränderungen und Neufassungen führten 1806 A. Huber aus Weingarten (Hochaltar), 1828 Josef Anton Metz aus Gebratshofen (Südaltar) und 1849 Johann Müller (Nordaltar) aus. Schwarz gefasst mit goldenem Akanthusdekor und paarweise gestellten, blaumarmorierten Säulen, gibt das Altarblatt des Hochaltares eine Anbetung der Heiligen Drei Könige wieder – ursprünglich 1765 gemalt von Johann Baptist Bingger, signiert von B. Müller 1785 (vielleicht Bernhard Müller, Bregenz) und 1861 restauriert von Moritz Jacob. Der schmalere, ebenfalls von Doppelsäulen eingefasste Auszug mit einer Herz-Jesu-Plastik wird von zwei reich bewegten Engeln mit Kelch und Weihrauchfass flankiert (18.Jh.).
Der nördliche Altar, wie sein Pendant graurot marmoriert und mit zwei Säulen bestückt, enthält eine Darstellung der Beweinung Christi unter dem Kreuz, vielleicht eine Arbeit des Johann Müller (1849). Im Auszug der Jesuitenheilige Franz Xaver bei der Taufe eines indischen Heiden. Bei den beiden seitlichen Skulpturen, Maria und Johannes der Täufer, handelt es sich um Neuschöpfungen jüngerer Zeit nach den gestohlenen Originalen aus dem 16. Jh.
Das Bild des südlichen Nebenaltares, wieder eine Arbeit des Münchener Josef Albrecht, 1902, zeigt die heilige Familie mit dem Johannesknaben und musizierenden Engeln. Das Auszugsbild, ein halbfiguriges Medaillon des hl. Aloysius von Gonzaga mit Märtyrerlilie in Verehrung des Kruzifixes, wird seitlich begleitet von den knienden Figuren der hll. Dominikus und Katharina von Siena (1. Hälfte 18. Jh.).
Weitere Ausstattung
Der Chorraum weist an den Wänden zwei Bilder auf, die durch ihre Größe und rundbogige Form wohl einst als Altarbilder fungierten. Links findet sich das leider sehr stark nachgedunkelte, ganzfigurige Bildnis der hl. Barbara mit Krone und Kelch mit einer Hostie, ihr gegenüber die hl. Katharina von Alexandria mit Schwert und Rad (um 1700). Qualitätsvoller ist allerdings die Darstellung des hl. Joseph über dem südlichen Seitenportal im Langhaus, das 1713 durch den Wurzacher Maler Gabriel Weiß (um 1682-1760) als Altarblatt geschaffen wurde. Umgeben von seinem Zimmermannswerkzeug sitzt der Heilige, einen Lilienzweig in den Händen und den stehenden Jesusknaben auf seinem Knie, den Blick nach oben gerichtet, wo sich ein Putto mit Rosenkränzen nähert. Noch zu nennen sind die unter bzw. an der Westempore hängenden zwölf Apostelmedaillons in Halbfigur, ländliche Arbeiten in kräftiger Farbgebung des 18. Jh. Die Kreuzwegstationen schuf 1829-30 wiederum Josef Anton Metz. Auch einige Skulpturen haben sich erhalten, darunter als älteste ein heiliger Sebastian an der Südwand, gemartert durch Pfeile (Mitte 17. Jh). Gegenüber in rokokohaft verzückter Haltung der hl. Gallus in silbern gefasstem Mönchshabit mit Abtsstab (Mitte 18. Jh.). Etwas ungewöhnlich ist auch der Kruzifixus am Chorbogen, dessen Nagelung der Beine an die Seite des Kreuzesstammes versetzt ist. Ein Vortragekruzifix (18. Jh.), an der vordersten südlichen Bank aufgestellt, gibt den gemarterten Christus dagegen stumm leidend mit geöffneten Augen wieder. An der Nordseite, unterhalb der Kanzel, findet sich eine Marienfigur mit dem Jesuskind (1869), die auch bei Prozessionen mitgeführt wird. Die um 1800 entstandene Kanzel darüber präsentiert sich in einer klassizistischen Fassung mit Marmorierung und Rocaillekartuschen mit den Evangelistennamen. Der Schalldeckel mit der Taube wird bekrönt durch ein Kreuz und die Gesetzestafeln. Zeitgleich entstanden ist auch das im Chor neben dem klassizistischen Chorgestühl und einem Beichtstuhl aufgestellte, schwarz gefasste Taufbecken, dessen Deckel von einer Taufe Christi geschmückt wird. Einige, teils interessante Grabsteine des 18. und 19. Jh. runden das Bild ab. Neben dem ältesten Beispiel für Pfarrer Johannes Lempp (gest. 1696) mit Kreuz, Totenkopf und Auge, Ohr und Hand Gottes, unterhalb der Kanzel aufgestellt, lohnt auch ein Rundgang um die Kirche.
Orgel
Während über einen Vorgänger nichts bekannt ist, stammt die heutige Orgel mit neun Registern, einem Manual und Pedal aus der Werkstatt von Steinmeyer in Öttingen. Der grau gefasste Prospekt mit fünfteiligem Schauprospekt, 1895 geweiht, passt sich im Aufbau dem barocken Erscheinungsbild der Altäre an.